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Alltagsreport Natur

Hinter dieser Bezeichnung verbergen sich empirische Querschnittsstudien zur Rolle von Natur im alltäglichen Leben. Dabei geht es weniger um die im Umweltdiskurs abgehandelte gesellschaftliche Einbindung der Natur in ökonomische, technische oder ökologische Zusammenhänge, sondern um das sich wandelnde Verhältnis der Individuen zu ihrer natürlichen Umwelt. Das Interesse der Sozialwissenschaften daran ist bis heute ähnlich unterentwickelt wie umgekehrt der Sinn der Naturwissenschaften für die sozialen Aspekte ihrer Fächer.

Retrospektive
Ein Rückblikck auf sieben Archiv-Jahrzehnte des Instituts für Demoskopie Allensbach kommt zu dem Ergebnis: Zwar sei "kaum ein Aspekt des Themas Umweltschutz ausgelassen worden. Doch Naturschutz im engeren Sinne, etwa Fragen zum Erhalt von Naturlandschaften, der Artenvielfalt oder auch Fragen zur persönlichen Naturliebe, beispielsweise zu Waldspaziergängen oder dem Spielen von Kindern in der Natur kamen in fast 70 Jahren Demoskopie nur sporadisch vor." (Allensbach 2017)

Der Impuls zur Füllung dieses Defizits kam gewissermaßen von der Seite. In der Spätfolge der "Studentenbewegung" formierten sich in den 70er und 80er Jahren Initiativen "kritischer Naturwissenschaftler". Ihre sozio-politisch aufklärerische Stoßrichtung ließ angesichts mäßiger Resonanz in den betroffenen Fachrichtungen das Bedürfnis entstehen, tiefer in den Grenzbereich zwischen Natur- und Sozialwissenschaft zu einzudringen. Dabei verschob sich der Fokus immer mehr vom wissenschaftlichen auf den alltäglichen Naturumgang in einer zunehmend vertechnisierten Lebenswelt, der sich als das weit größere Forschungsdesiderat erwies.

"Jugendreport Natur"

Die seit Ende der 90er Jahre regelmäßig von einer Initiative an der Universität Marburg in Kooperation mit diversen Naturverbänden durchgeführte Befragung von Schülern zu ihrem mentalen und faktischen Umgang mit Natur ist ein Produkt dieser herkömmliche Fächergrenzen überschreitenden Neugier. Mangels disziplinärer Verankerung fand sich keine Förderung, die methodisch aufwendigere Studien ermöglicht hätte. Angesichts des weitgehend unerschlossenen Forschungsfeldes lieferten bereits die einfachen Erhebungen mit kompletten Schulklassen diverser Schulformen als " eine Fülle grundlegender Einsichten in den laufenden Prozess der Naturentfremdung einer ganzen Generation.

"Kinderbarometer" (Natur)

Im selben Zeitraum etablierte sich zunächst in einigen Bundesländern und dann auf Bundesebene eine regelmäßige, institutionell geförderte Umfrage unter Schulkindern zu ihren alltäglichen Lebensumständen. Sie kann Naturaspekten in der Regel nur punktuell, selten breiteren Raum geben. Die auf diese Weise mosaikartig gewonnenen Erkenntnisse zur kindlichen Naturbeziehung werden im Folgenden erstmals zu einem Gesamtbild zusammengefügt.

Studien zum "Umwelt-" und "Naturbewusstsein" Erwachsener

Systematisch angelegte Studien zur Rolle von Natur im Alltagsbewusstsein der Gesamtbevölkerung entstanden mit Hilfe staatlicher Förderung erst mit einigen Jahren Verspätung. Angesichts des notorischen Desinteresses der Natur- und Sozialwissenschaften sahen sich die Bundesämter für Umwelt und Naturschutz bemüßigt, die Lücke selber zu füllen. Dabei blieben insbesondere die ersten "Naturbewusstseinsstudien" auffällig abstrakt und bekenntnislastig. Statt der zunehmenden Naturentfremdung nachzugehen, erzeugten sie so den Eindruck eines unter den Zeitgenossen weit verbreiteten ökologischen Bewusstseins.

die unterschiedliche Rahmung der Themenbereiche Umwelt und Natur
den durchweg hohen Stellenwert von der Sauberkeit, Ordnung und Müll im jugendlichen Naturbild (insofern ein sehr konservatives Naturbild)
die untergeordnete Stellenwert des Naturschutzes (es sei denn, man spricht explizit darauf an)
die starke Altersdifferenzierung (weit gespreizter als die Geschlechterdifferenzierung)
die Klage über das Unwissen der jeweils jüngeren Generation
die bis heute erstaunlich hohen Besuchsfrequenzen von Wald


Kontakt: Redaktion natursoziologie.de